Internationale Klimaforscher für eine klimaschützende Politik in Stormarn
Bad Oldesloe – Vor der Kreispolitik und einem mit Teilnehmern bis an die Grenzen gefüllten Kreistagssitzungssaal erklärte Prof. Hartmut Graßl, was an der heutigen Situation in der Klimaentwicklung gefährlich für den Menschen werden könnte: Es ist die einmalig hohe Geschwindigkeit der Klimaänderungen. Wir belasten die Anpassungsfähigkeit unseres Heimatplaneten, indem wir Energievorräte wie Kohle und Öl in 100 Jahren verbrennen, für deren Entstehung mehr als 100.000 Jahre notwendig waren.auf dem Foto: Prof. Harmuth Graßl erläutert die vom Weltklimarat prognostizierte Temperaturerhöhung
Wie gut die Klima-Rechenmodelle mittlerweile die verschiedensten Effekte wie den Zusammenbruch der Schwerindustrie in den ehemaligen Ostblockstaaten oder zunehmend dunkler werdende Wolken und Schnee einbeziehen können, erstaunte auch manchen Fachmann in der Fragerunde. Eins der weltweit führenden Modelle ist im Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg entwickelt worden, womit Prof. Graßl als emeritierter Direktor die Arbeit seiner aktiven Kollegen lobte.
Er stellte die vom Menschen erzeugten Mengen von Kohlendioxid, Methan und Lachgas als Hauptverursacher des Klimawandels fest und gab dementsprechend die Empfehlung, als erstes den Verbrauch fossiler Energieträger wie Kohle, Öl und Gas in unseren Breiten drastisch zu reduzieren. Zu erreichen ist das über eine Effizienzrevolution bei Energieverbrauch und –erzeugung, z.B. effizientere Hausheizung und elektrische Geräte und die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien.
Ganz besonders betonte der international anerkannte Klimaforscher, wie wichtig und auf der Weltbühne außerordentlich der Aufruf der Bundeskanzlerin in Bali zu mehr weltweiter Klimagerechtigkeit ist. Weltweite Klimagerechtigkeit bedeutet schließlich, allen Nationen oder Menschen einen gerechten Anteil an den insgesamt reduzierbedürftigen Emissionen von Treibhausgasen zuzugestehen.
Damit stehen gerade wir vor einem enormen Innovationssprung in der Energietechnik, von dem aber auch Deutschland schon heute auf der Weltbühne profitiert. Weltweit werden effizientere Geräte und Techniken zur Nutzung erneuerbarer Energien gebraucht und dabei ist Deutschland eine der wichtigsten Exportnationen.
auf dem Foto: Dr. Klaus Müschen beschreibt die gegenwärtig besonders verwundbaren Regionen Deutschlands
Diese Meinung vertrat auch Dr. Klaus Müschen vom Umweltbundesamt in Dessau, der auf die regionalen Probleme und Handlungsmöglichkeiten einging. „Das norddeutsche Tiefland gehört nach einer Untersuchung des UBA zu den 4 besonders stark verwundbaren Regionen in Deutschland. Wir müssen uns darauf einstellen, dass Klimafolgen wie Starkregen oder Krankheiten aus wärmeren Erdzonen hier auftreten. Anpassungsmaßnahmen zum Management von Klimafolgen berühren einen Großteil kommunaler Handlungsfelder und viele Bereiche des Alltagslebens.“ so Klaus Müschen.
Fragen und Problem aus dem Bereich Gesundheit stellen sich vor allem bezüglich
- Hitzewellen -> örtliche Hitzewarnsysteme, Flüssigkeitsversorgung von alten Menschen und Kleinkindern, ...
- Kankheitsüberträgern und Infektionskrankheiten -> Zecken, Malaria und ähnliche Krankheiten, Viehseuchen, Ausbreitung gesundheitsschädlicher Pflanzen
- sowie Luftqualität und Lagerung bei höheren Temperaturen -> z.B. zunehmender Einsatz von Klimaanlagen, neue Hygienevorschriften und bessere Lagerung von Medikamenten und Medizinprodukten
Fragen und Probleme stellen sich auch rund ums Thema Wasser:
Was bedeuten Klimaänderungen für die Wasserwirtschaft? Prognostiziert wird, dass sich Niederschläge vom Sommer in den Winter verschieben werden. Wird eine erhöhte Verdunstung als Folge steigender Temperaturen auftreten? Wird die Wasserbilanz ungünstiger? Verringert sich das Wasserdargebot? Wie müssen wir uns an Extremereignisse anpassen?
Die Verwundbarkeit einer Region durch veränderte Wasserverfügbarkeit berührt entscheidende Lebensgrundlagen mit:
- Grundwasserniveau, Reduzierung der Grundwasserneubildungsrate
- Wasserqualität von Oberflächengewässern
- Trinkwassergewinnung,
- Wasserbedarf (Industrie, Haushalte, Landwirtschaft,…)
- Hochwassergefahr, Hochwasserschutz
- Integrierte Problemlösungen für Flusseinzugsgebiete.
- Wasserwirtschaftliche Infrastruktur bei Klimafolgen (Extremereignisse)
Wasser muss also in allen Sektoren effizienter genutzt werden.
Für Naturschutz und Forstwirtschaft gilt z.B., dass einheimische Arten verdrängt werden können und dass Waldumbaumaßnahmen die Artenvielfalt und die genetische Vielfalt erhöhen müssen.
Viele weitere Beispiele gibt es bei Landwirtschaft, Verkehr, Tourismus, Städtebau und Stadtplanung, Energiewirtschaft, Katastrophenschutz, Gebäudetechnik, Internationaler Zusammenarbeit, Finanzwirtschaft, Entwicklungszusammenarbeit und Forschung.
Neben der Anpassung an den schon zu erwartenden Klimawandel waren Dr. Müschen besonders die Beiträge zum Klimaschutz wichtig, die ein Fortschreiten des Klimawandels verhindern sollen. „Klimaschutz kostet Geld – ohne ihn wird es viel teurer„ so Müschen „Bei einem Kostenvergleich von 1% des Bruttosozialprodukts für Klimaschutz-Maßnahmen gegenüber 10-20% für zusätzliche Schadensbekämpfung fällt die volkswirtschaftliche Entscheidung für Klimaschutz-Maßnahmen leicht.“
Deshalb müssen spätestens ab 2020 die globalen Treibhausgas-Emissionen sinken. Die EU und auch Deutschland haben die Weichen bereits gestellt:
Beschlüsse des Europäischen Rates am 8./9. März 2007: „3 mal 20“
Bis 2020
– müssen die Treibhausgas-Emissionen um min. 20 Prozent gesenkt werden,
– muss die Energieeffizienz um 20 Prozent erhöht werden,
– müssen erneuerbare Energien einen 20 Prozent Anteil am gesamten EU-Energieverbrauch erreichen.
Das nationale Klimaschutzprogramms hat eine Zielsetzung von 40% Treibhausgasminderung bis 2020 für Deutschland. Aktuelle Berechnungen belegen, dass wir mit dem steigenden Anteil erneuerbarer Energien und einem warmem Winter 2006 schon 20% knapp erreicht haben.
Für diese Klimaschutz-Ziele spielt der Energiesektor eine Schlüsselrolle mit:
- Strom aus erneuerbaren Energien
- Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)
- Stromeinsparung
- Wärmeeinsparung
- Wärme aus erneuerbaren Energien
- Kraftstoffeinsparung
- Vermeidung unnötiger Verkehre
- Erneuerung der Kraftwerke
Vorschläge zum Klimaschutz kamen aus fast allen Bereichen kommunalen Handelns, von Wasserwirtschaft, nachhaltigem Stadtumbau, Verkehr über Wirtschaft und Energiewirtschaft, Tourismus und Gebäudetechnik, im Mittelpunkt dabei die effiziente Wärmeversorgung und der energetische Standard der Gebäude. Neben dem Energiemanagement für öffentliche Gebäude spielt gerade die Energieberatung (z.B. mit Verbraucherverbänden und Stadtwerken) eine große Rolle wegen der hohen Multiplikatorwirkung. Für Kommunen bietet sich außerdem das Energiesparcontracting an.
Die meisten dieser Vorschläge greifen aber erst, wenn sie tatsächlich großflächig umgesetzt werden. Dafür gibt es bereits verschiedene Gesetzesinitiativen und verbesserte Förderinstrumente von Bundesseite.
Damit das aber regional wirksam wird, ist Informations- und Aufklärungsarbeit notwendig und sollten die veränderten Förder- und Gesetzesgrundlagen kommuniziert werden. Es ist davon auszugehen, dass die unabhängigen Informationsangebote wie das beim Kreis Stormarn in Zukunft eher noch stärker genutzt werden –
- sei es von Bürgern, die sich für Fördermittel und Möglichkeiten energetischer Haussanierung interessieren
- oder von Kommunen, die angesichts sich ändernder Zeiten ihre Bauleitplanung möglichst zukunftssicher und interessant für vorbildliches Bauen machen wollen
- oder von Schulen und anderen Bildungseinrichtungen, die Klimaschutz in praktischen Projekten umsetzen wollen .
Einige der erfolgreichen kommunalen Beispiele laufen auch im Kreis Stormarn und in einzelnen Städten und Gemeinden des Kreises, z.B. Energiesparprogramme für Schulen, Kindermeilen-Kamapgne, Bürgersolaranlagen.
Die Sparkasse Holstein war nicht nur finanzieller Sponsor der Veranstaltung sondern hat auch einen Experten für erneuerbare Energien gestellt, der die Potentiale der Region vorgestellt hat. Sven Schnack ging dabei vor allem auf die Möglichkeiten von Solarenergienutzung, Biomasse und Windkraft in der Region ein.
auf dem Foto: Der Kreistagssitzungssaal war so voll wie lange nicht
Die anschließende Diskussion brachte viele Fragen nach den wissenschaftlichen Grundlagen aber auch nach der Umsetzung hier im Kreis Stormarn.
Wie geht es also weiter ?
Die wichtigste Aussage dazu war die Ankündigung aus der Politik, dass die Umsetzung der Empfehlungen in den nächsten Sitzungen angegangen wird. „Die Veranstaltung am 11. Januar ist als Auftaktveranstaltung zu verstehen, die nächsten Schritte für den Umwelt- und Kleingartenausschuss sind nun ein Konzept und eine Prioritätenliste zur Umsetzung der Empfehlungen. Und das soll dann in die Fortschreibung des Klimaschutz-Programms des Kreises münden.“ verkündete Hans-Werner Harmuth als Ausschussvorsitzender. Das große Interesse in den anschließenden Gesprächen lässt eine rege Bürgerbeteiligung dazu erwarten.
Dokumentation der Vorträge:
Prof. Hartmut Graßl: Weltweite Klimaveränderungen und ihre regionalen Auswirkungen
Dr. Klaus Müschen: Klimawandel - Was können wir hier vor Ort tun ?
Sven Schnack: Potentiale der Region - Sinnvolle Maßnahmen vor Ort