Archiv-Vorträge: "Führer in der Provinz - Kreisleiter der NSDAP in Stormarn"
Am nächsten Mittwoch (23. Februar) bieten das Stadtarchiv Bad Oldesloe und das Kreisarchiv Stormarn den zweiten Vortrag der Reihe „Leben unter dem Hakenkreuz. Stormarn und Schleswig-Holstein im Nationalsozialismus“ an. Ab 19.30 Uhr wird der Historiker Sebastian Lehmann über die Stormarner NSDAP-Kreisleiter sprechen.Da beim ersten Vortrag mehr als 90 Zuhörer kamen, die den Saal bis auf den letzten Platz füllten, wird der zweite Vortrag in den Kreistagssitzungssaal verlegt (gegenüber vom Kreisarchiv, Mommsenstraße 13).
![ehemaliger NSDAP-Kreisleiter Erich Friedrich vor dem Entnazifizierungsausschuss in Bad Oldesloe, 1949](/aktuelles/fotoarchiv/pics/919/m_919.jpg)
auf dem Foto: ehemaliger NSDAP-Kreisleiter Erich Friedrich vor dem Entnazifizierungsausschuss in Bad Oldesloe, 1949
Ausgestattet mit formal nur vage umrissenen, in der Praxis jedoch ausufernden Kompetenzen gestalteten diese Parteifunktionäre die politischen Verhältnisse in den von ihnen „betreuten“ Land- oder Stadtkreisen wesentlich mit – sei es durch die Anordnung von „Schutzhaft“ gegen politische Gegner, durch die weltanschauliche Schulung von „Parteigenossen“ oder durch die Inszenierung der deutschen „Volksgemeinschaft“ im Rahmen von NS-Feierlichkeiten.
Im Mittelpunkt des Vortrags stehen dabei vor allem Fragen nach der Rolle und dem sozialen Profil einer regionalen Machtelite im Herrschaftsgefüge des NS-Staats - auch über die wohlbekannten Eckdaten 1933 und 1945 hinaus.
Erich Friedrich (*1901, †1971) war gelernter Schmied und kam 1925 zur NSDAP. Nach wenigen Monaten als Kreisleiter in Bordesholm übernahm er ab 01.10.1932 in Stormarn dieses Amt. Als machtbewusster Nationalsozialist bestimmte er von Bad Oldesloe aus die politischen Verhältnisse im Kreis bis 1945 wesentlich mit und geriet dabei auch in Konflikt mit Landrat Constantin Bock von Wülfingen in Wandsbek, weil er Bad Oldesloe zum politischen Zentrum Stormarns ausbauen wollte.
Bei der Verfolgung von politischen Gegnern oder persönlichem Widerstand gegen Maßnahmen der NSDAP übte er massiven Druck auf die Betroffenen aus. Nach einer mehrjährigen Internierung wurde er 1948 zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.
![Dr. Sebastian Lehman](/aktuelles/fotoarchiv/pics/918/m_918.jpg)
In mehreren Projekten beschäftige er sich mit dem Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein und veröffentlichte u.a. dazu 2007 seine Dissertation „Kreisleiter der NSDAP in Schleswig-Holstein. Lebensläufe und Herrschaftspraxis einer regionalen Machtelite“. (IZRG-Schriftenreihe Bd. 13, ISBN 978-3-89534-653-8)