Serie ‚Revolution ins Digitale‘ - Teil 7: Kreisarchiv digitalisiert Akten der NS-Opfer
Stormarns kulturelles Erbe. Eine Serie darüber, was das Kreisarchiv online zugänglich macht. Heute: Die Entschädigungsakten.
Einblicke in die dunkle Vergangenheit des Kreises Stormarn. Unzählige Menschen fielen der Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten zum Opfer. Im Kreisarchiv Stormarn sind die Entschädigungsakten der NS-Opfer verwahrt. Mehr als tausend einzelne Akten finden sich im Magazin des Kreisarchivs in Bad Oldesloe. Und damit auch ein Stück spannender und auch schwieriger Kreisgeschichte. „Außer in unserem Archiv liegen ähnliche Bestände nur noch in Lübeck und in Flensburg sowie in deutlich geringerem Maße im Kreisarchiv Nordfriesland vor“, sagt Kreisarchivar Stefan Watzlawzik und unterstreicht damit, wie wichtig es ist, den Bestand zu erhalten. Und zwar so, dass die Informationen aus den Akten des Sonderhilfeausschusses der Kreisverwaltung langfristig gesichert werden. Um die historisch wichtigen Unterlagen aus den Jahren 1945 bis 1973 und ihre rund 38.000 einzelne Seiten für die Zukunft zu erhalten, hat das Team des Kreisarchivs die Akten digitalisiert und wurde dabei mit 13.000 € vom Land gefördert.
Die Alliierten besiegten das Dritte Reich, Schleswig-Holstein wurde durch die Briten besetzt – soweit bekannt. Jetzt konnten die durch die Nationalsozialisten verfolgten Opfer, die überlebten, ihre Anträge auf Entschädigung stellen. Der Bestand der Entschädigungsakten ist damit eine wichtige Quelle nicht nur für die Erforschung der Geschichte der NS-Zeit, sondern auch für ihre Auswirkungen auf den Kreis und die anschließende Behandlung der Opfer der nationalsozialistischen Diktatur. Florian Bayer hat den Aktenbestand für seine Doktorarbeit genau untersucht. Vereinfach gesagt wurden die Opfer in vielen Fällen weiter mit medizinischen Gutachten drangsaliert und es wurde nur denjenigen eine Untersützung gewährt, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst erarbeiten konnten. So spiegeln die brüchigen Papiere eher eine Art ‚Sozialunterstützung‘ als wirkliche Entschädigung wider.
Zuerst ging es um konkrete Hilfe zum Leben, wie ein Vorrecht bei der Zuweisung von Wohnungen, zusätzliche Lebensmittelrationen oder Brennholz. Übergegangen auf finanzielle Hilfe wurde erst 1949 als das Haftentschädigungsgesetz sowie das Bundesergänzungsgesetz zur Entschädigung nationalsozialistischer Opfer von 1953 eintrat. Nur ein Teil der Opfer war überhaupt berechtigt, Wiedergutmachung zu erhalten. Wer aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen verfolgt wurde und Schäden an Leben, Körper, Freiheit oder Eigentum davongetragen hatte oder beruflich geschädigt wurde, war entschädigungsberechtigt. Davon ausgeschlossen waren beispielsweise ausländische Juden, Homosexuelle, Zwangsarbeiter, Kommunisten, polnische und sowjetische Kriegsgefangene und viele mehr.
Somit sind die Akten von enormen Wert, wenn es darum geht, die Verfolgung durch die Nazis sowie den Umgang der Behörden der jungen Bundesrepublik mit Opfern und auch Tätern nachzuvollziehen. Der Weg zur Entschädigung war nicht immer einfach und unbürokratisch, viele Anträge wurden aus fadenscheinigen Gründen abgelehnt. Denn in der Bearbeitung der Anträge war das Menschen klassifizierende Gedankengut, das beispielsweise Menschen mit Behinderung einen geringeren Wert zuteilte, erkennbar.
Die zuständigen Behörden gingen nicht immer sehr pfleglich mit den Akten um, was ihren heutigen Zustand erklärt. Digitale Versionen der Akten sind deshalb unerlässlich und mussten so schnell wie möglich hergestellt werden, um die wichtigen Informationen zu sichern.
Interessierte können die Akten online im Findbuch des Kreisarchivs abrufen (www.kreisarchiv-stormarn.findbuch.net) unter den Stichwörtern „Kreisverwaltung Stormarn“ und „OdN-Akten“.
Nächste Woche Teil 8 (letzter Teil): Kreistagsprotokolle