Stormarner schreiben Geschichte
Das Stormarn-Lexikon funktioniert über Schwarm-Wissen: Viele Menschen sind Experten auf irgendeinem Gebiet und daher angesprochen, sich mit ihrem speziellen Wissen zum Kreis für einen Artikel in dem Online-Lexikon einzubringen.
Ob Vereine, Persönlichkeiten, Kunst, Wirtschaft, Städte und Gemeinden oder Brauchtum wie das Vogelschießen – aus vielen Puzzleteilen entsteht in der Summe ein Nachschlagewerk zu allem, was in Stormarn wissenswert ist.
So finden sich in dem Lexikon mittlerweile etliche Einträge zu Stormarner Personen, aber noch keine zu Glaube und Religion und wenige über Schulen oder Vereine. Das Puzzle hat noch viele freie Stellen, und dafür werden weitere Autoren gesucht.
Eine derjenigen, die am Lexikon mitschreibt, ist Hannelies Ettrich aus Großhansdorf. „Für mich ist das Lexikon wie ein Kaleidoskop“, sagt sie, „es erlaubt die Vielfarbigkeit des Stormarner Lebens zu sehen.“
Die Mitarbeit ist für sie ein Gewinn, denn so kann sie ihr Fachwissen nachhaltig einbringen. „Ich beschäftige mich seit den 1980er-Jahren mit der Historie im Kreis“, erklärt Hannelies Ettrich, „ich habe die Chronik von Jersbek geschrieben sowie im Museum Bargteheide inventarisiert und als Leiterin des Bargteheider Stadtarchivs und der Volkshochschule immer mit historischen und kulturellen Einrichtungen zusammen gearbeitet.“
Das Lexikon biete ihr die Chance, an das Bestehende anzuknüpfen und ihr Wissen für die Nachwelt festzuhalten. Wissen, das sonst im stillen Kämmerlein bleibt, wird mit dem Lexikon allen zugänglich gemacht.
Von dem digitalen Projekt, das laufend aktualisiert werden kann, ist sie überzeugt. „Das Lexikon stärkt Stormarns Identität, etabliert ein Netzwerk, ist eine Gemeinschaftsaufgabe und macht dem Nutzer Stormarns Leben und Kultur zugänglich“, so die Autorin.
Ihr Spezialgebiet ist Kunst im öffentlichen Raum in Stormarn. Als Zeitzeugin hat sie viele Künstler persönlich kennen gelernt und in den Ateliers getroffen. „Zurzeit schreibe ich über den 1996 verstorbenen Bildhauer und Maler Edgar Augustin, den ich vor mehr als 30 Jahren in Jersbek besucht habe.“
Auch Georg Engst oder die Bauhaus-Töpferin Liebfriede Bernstiel sind Künstler, denen sie über einen Artikel im Lexikon ihren Platz in Stormarn verschaffen will. „Die Spurensuche ist Detektivarbeit, die viel Spaß macht.“
Das hat auch Dr. Mirko Nottscheid dazu bewogen, Artikel für das Lexikon zu schreiben. „Ich nutze gerne die Gelegenheit, historische Forschung in so ein Projekt einzubringen“, erklärt der Hamburger Germanist, der als Referatsleiter am Deutschen Literaturarchiv Marbach (Baden-Württemberg) arbeit.
„Das ist ein kollektives Forschungsprojekt, das noch dazu fair bezahlt wird.“ Konzeption und Redaktionssystem hätten ihn überzeugt. Über den Schriftsteller und Kunstsammler Rolf Italiaander hat der Wissenschaftler schon geschrieben, über den Glinder Germanisten Wolfgang Bachofer.
Aktuell ist Nottscheid der Biene Maja auf der Spur: „Ich arbeite jetzt an einem Artikel über den Schriftsteller Waldemar Bonsels, der in Ahrensburg geboren wurde.“
Biografien reizen Nottscheid: „Ich bin ein manischer Lebenslaufforscher. Als Jugendlicher habe ich mal angefangen, ein Film-Lexikon zu schreiben, und Lexika interessieren mich bis heute.“ Bereits seit 2003 arbeitet er an der Hamburgischen Biografie mit.
Für das Stormarn-Lexikon müsse man nicht unbedingt Wissenschaftler sein. „Gute Wissenschaft entsteht nicht nur in den Institutionen der Wissenschaft.“ Die ausführliche Anleitung und die redaktionelle Begleitung erleichterten den Einstieg in die Arbeit, bei der die Recherche für die Artikel am aufwendigsten sei.
„Mit der Arbeit trägt man zur Forschung über die Heimat bei. Das ist ein mutiges Crowd-Research-Projekt mit angenehmer Zusammenarbeit, die zurzeit problemlos per E-Mail, Videokonferenz oder Telefon erfolgt.“
Wer einen Artikel über einen Verein, eine Firma, eine wichtige Persönlichkeit, ein besonderes Biotop oder ein bedeutendes Gebäude in seinem Ort schreiben möchte, sollte keine Scheu haben, sich zu melden.
Erfahrene Lektoren und Redakteure begleiten die Autoren bei ihrer Arbeit und unterstützen sie dabei, ihre Themen lexikontauglich zu gestalten. Damit wird auch Laien der Weg zur Autorenschaft und zur Forschung über den Kreis geebnet.
„Es wird kein Expertenwissen verlangt“, betont Hannelies Ettrich, „aber die Erkenntnisse müssen wissenschaftlich abgesichert sein. Ich kann empfehlen, sich als Autor zu bewerben, wenn man über spezielle Kenntnisse in einem Sachgebiet verfügt.“
So könne gemeinsam kostbares Wissen gehoben und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. „Das Lexikon ist ein großartiges Projekt von kulturpolitischer Nachhaltigkeit.“
Wer sich als Autorin oder Autor am Stormarn-Lexikon beteiligen möchte, kann sich unter https://www.stormarnlexikon.de/page/mitarbeit/ informieren und per E-Mail beim Kreisarchiv anmelden (kreisarchiv@kreis-stormarn.de). Die Honorierung erfolgt je nach Artikellänge, für alle steht eine detaillierte Anleitung zur Verfügung.
Die Redaktion arbeitet derzeit daran, eine Autorenschulung online per Videokonferenz im neuen Jahr anzubieten. Diese wird allen Einsteigern empfohlen, da ein Lexikon Inhalte für die Leser leicht verständlich und kompakt bereitstellen muss.