Das adlige Gut Nütschau
Das Nütschauer Herrenhaus, erbaut 1577, ist das älteste noch erhaltene in Stormarn.
Gottes-Suche im stillen Travetal
Kaum ein schöneres Schicksal kann man sich für ein historisches Gebäude vorstellen, als ein Ort der Besinnung und Einkehr zu werden. So geschieht es dem Nütschauer Herrenhaus.
Travenbrück-Nütschau - Der Heilige Ansgar ist zum Schutzpatron des wunderschönen Ortes im Travetal geworden. Hier wird gebetet und Einkehr gehalten, werden Seminare und Jugendbildung durchgeführt, leben und wirken derzeit zwölf Mönche, vier Brüder in Probezeit und vier Ordensschwestern. "In einer Zeit, in der viele an Überforderung leiden, will diese Stätte ein Ort sein, wo es möglich ist, sich selbst, den Menschen und Gott neu zu vertrauen", sagen die Brüder und Patres im Kloster Nütschau , "wer hier zu Gast ist, soll spüren, dass Gott den Menschen Hoffnung und Zukunft gibt."
In den 90er-Jahren stellten die Mönche ein Schild auf, das Besucher humorvoll bat, die Wiese nicht zu betreten.
Das Benediktinerkloster, gegründet 1950 vom Mutterkloster im niederrheinischen Gerleve aus, hat inzwischen eine Reihe von Neubauten errichtet: die Kapelle, das Bildungshaus St. Ansgar, das Jugendhaus St. Benedikt, den Konvent. Doch auch das Herrenhaus, in dem die Mönche zu Anfang notdürftig untergekommen waren, lassen sie nun renovieren, mit Zuschüssen der EU, der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und anderen Fördermitteln. Hier entstehen Gemeinschaftsräume, Archiv, Bibliothek, ein Oratorium und ein Raum für repräsentative Zwecke.
Der Name "Nütschau" erklärt sich als "Ort des Nosik, Nosk oder Nosak", ein wendischer Eigenname, der wenig schmeichelhaft "Nase" bedeuten könnte. Zu der Zeit, als auch Ansgar als "Apostel des Nordens" an die Elbe gesandt wurde, also um das Jahr 800, wurde hier an der Trave eine "Schanze" errichtet, eine Ringwallburg in der Nähe des karolingischen "Limes Saxoniae", der Grenze zu den Slawen. Ab 1259 ist hier ein Herrensitz "Nutzikov" dokumentiert. Ein Heinrich von Nutzikove war Ende des 13. Jahrhunderts bei Kaufleuten als Raubritter gefürchtet. 1343 verzichtete der Landesherr auf sein Lehnsherrenrecht zugunsten des Klosters Reinfeld.
Die Mönche im Kloster Nütschau sind keine Brüder von Traurigkeit: Beim großen Kinderfest versucht auch Bruder Willibald sein Glück beim Wurfspiel. Wird er mit dem Ball wohl den Korb treffen?
Mehrere Lehnsleute wechselten, bis 1574 der berühmte Renaissance-Humanist Heinrich Rantzau, Amtmann zu Segeberg, das Gut erwarb. Dieser Mann hatte bedeutenden politischen Einfluss im Königreich Dänemark. Er war unermesslich reich und förderte Kunst und Wissenschaft. 1577 begann er mit dem Bau des Herrenhauses - das älteste noch heute vorhandene in Stormarn, wenn man vom fast gleichzeitig erbauten Schloss Reinbek absieht. Inschriften an beiden Seiten des Eingangs erinnern an Heinrich und seine Frau Christine von Hal(l)e. Ein Holzschnitt von 1591 zeigt den damals neuen Bau als Wasserschloss mit Graben, Zugbrücke und Vorwerk. Das Türmchen fehlt auf dieser Darstellung, es kam erst 1793 dazu.
Keine Decken, keine Böden: Das Herrenhaus wird komplett restauriert. Bruder Josef begutachtet den Fortschritt der Arbeiten.
1646, nach 70 Jahren Rantzau-Herrschaft, ging das Gut durch Erbschaft an die Familie von Ahlefeldt, nach vielen Besitzerwechseln musste es 1791 gar versteigert werden. Erwerber für 87 000 Reichstaler war der Hamburger Kaufmann Amsinck. Er baute das Türmchen (damals noch ohne Kreuz) und verkaufte das Gut nach sechs Jahren für 121 000 Reichstaler - ein guter Gewinn.
Noch öfter sollte damit spekuliert werden, nicht immer mit Erfolg. 1938 wurde der Besitzer John Schuster enteignet, der als Jude Deutschland hatte verlassen müssen. Das Herrenhaus wurde ein Heim für schwer erziehbare Jugendliche und blieb dies, unterbrochen durch englische Besatzung, bis 1950. Dann erhielt Familie Schuster den Besitz zurück und verkaufte ihn im Jahr darauf an die katholische Kirche. Der Weg für die Klostergründung war geebnet.
Heinrich Rantzau – treuer Diener, heimlicher Herrscher
Heinrich Rantzau ließ das Herrenhaus Nütschau als Wasserschloss bauen, wie ein Holzschnitt von Peter Lindenberg (1591) zeigt.
Das "Rantzau’sche Zeitalter" nannte man die Epoche zwischen Reformation und 30-jährigem Krieg in Schleswig-Holstein. Dies zeigt, wie bedeutend diese Familie war, und Heinrich Rantzau (1526 bis 1598) war wohl ihre bemerkenswerteste Gestalt. Mehrere Jahrzehnte lang diente er als Statthalter in Holstein drei dänischen Königen in Folge und war dort offensichtlich der eigentliche Regent. Er muss unvorstellbar reich gewesen sein. Zu den zwei ererbten Gütern - eines davon die Breitenburg, die sein Vater Johannes als Lohn erhalten hatte, weil er sich in einem Streit im dänischen Königshaus auf die richtige Seite gestellt hatte - kaufte er sich mindestens 16 Güter oder Dörfer hinzu - in Stormarn Nütschau, Wandsbek und Höltenklinken - und baute mindestens sechs Herrenhäuser neu oder maßgeblich um. 1590 zählte er 39 Mühlen auf seinen verstreuten Ländereien.
Doch nur wenig weniger als für Bauten (50 000 Taler) gab er für Geschmeide aus (30 000 Taler). "Wenn es dem König von Dänemark gut geht, sind die Rantzaus glücklich", ließ er auf Latein in ein Pryramiden-Denkmal bei Itzehoe gravieren. Doch Heinrich legte auch Wert auf Kunst und Bildung, führte Briefwechsel mit den Gelehrten seiner Zeit, zum Beispiel mit dem Astronom Tycho Brahe. Seine Bibliothek in Breitenberg umfasste 6300 Bücher - selbst Schloss Gottorf besaß damals nur etwa 700. Er verfügte, dass sie ungeteilt vererbt werde und der Pastor sie zwei Mal im Jahr gegen Entgelt trockne - einmal vor dem Feuer und einmal vor der Sonne, "dann es ist eine ewige Gedächtnus und Herrlichkeit". Das bewahrte die Bibliothek nicht vor Plünderung und Zerstreuung im 30-jährigen Krieg.
Heinrich schrieb auch selbst Bücher - über das Leben seines Vaters, einen Feldzug oder die "Erhaltung der Gesundheit". Er verfasste Kalendertabellen, in denen neben wichtigen Märkten auch günstige Zeiten für Aussaat, Aderlass und Haarschnitt aufgeführt wurden - er war nämlich Anhänger der Astrologie. Im Gegensatz zu den Sitten der Zeit war sein persönlicher Lebenswandel maßvoll. Als er seinem Schwiegersohn Kay einen silbernen Becher vermachte, schrieb er: "denn ich weiß, er trinket gerne, hätt ich also gesoffen, ich hätte so lange nicht gelebet."
Würfelspiel um ein Menschenleben
Wie fühlt man sich als Gräfin von Nütschau? Lara Reck (links) aus Ahrensburg und Christina Steffen aus Reinbek ließen sich im Klostergarten als feine Damen fotografieren.
Die Adligen der Renaissance hatten nicht unbedingt feine Manieren. Nicht selten waren sie trunksüchtig und roh - wobei man sich die Bauern und einfachen Leute keineswegs harmloser vorstellen darf. Aus dem Jahr 1580 wird berichtet: "Detlef Brockdorff von Windeby und Christoffer von Buchwald haben miteinander gesoffen und gespielet, auch mit solcher Condition, dass derselbige, welcher das Spiel würde verlieren, seinen eigenen Diener sollte totstechen" - und der Verlierer soll sich tatsächlich an die Abmachung gehalten haben.
Diesen Herren war wohl der Wohlstand zu Kopf gestiegen, bei gleichzeitigem Mangel an wirklichen Aufgaben im Staat. Der Historiker Dieter Lohmeier spricht von "Verhaltensweisen, die im Zeitalter von Fehde und Faustrecht vielleicht noch eine gewisse Legitimität besessen hatten, aber jetzt nur noch Störung der öffentlichen Ordnung bedeuteten." Die Disziplinierung des Adels setzte sich später allmählich durch. Heinrich Rantzau war ihnen voraus. Sein Motto: "Tapferer, wer sich selbst als wer die gewaltigsten Mauern kämpfend besiegt."